Väter und Töchter

Vater und Tochter auf der Couch

Väter spielen oft eine wichtige Rolle in unserem Leben – manchmal mehr, als sie selbst ahnen. Und es sind nicht immer die biologischen Väter, die uns diese Liebe schenken.

Wenn ich an meinen Vater denke, denke an jenen jungen Mann, dem ich mit 3 Jahren die Hand in seine schob und sagte: „Komm Papa, lass uns spielen gehen.“ Er war gerade einmal 23 Jahre alt, trug eine weiße Jeans und ein weißes Hemd – ganz im Stil der 70er – und ich wusste instinktiv: Das ist mein Papa. Ich liebte seine dunklen Haare, seine großen Hände und wenn ich auf seinem Schoß saß fühlte ich mich beschützt und als absolute Prinzessin!

Was machte ihn zu meinem Vater? Für mich war es die Nähe. Ich habe ihn bedingungslos dafür geliebt, dass ich auf seinem Schoß sitzen, oder ich mich auf der Couch ankuscheln durfte, ich ihn immer umarmen konnte, wenn mir danach war und er mich nie, nicht einmal im Ansatz, auf unangemessene Weise ansah.  War er oft ein Muffel? JA. War er oft genervt und überarbeitet? JA! Hat er in der Erziehung alles richtig gemacht? Nein. Aber ich habe nie infrage gestellt, dass er mich liebt. Ich war mir dessen immer sicher. Ich wurde von ihm nicht geschlagen, nicht mal eine Ohrfeige. Ich war sicher und geborgen bei ihm.

An eine Umarmung meines Erzeugers kann ich mich nicht erinnern, und auch nicht daran, dass er mir jemals zum Geburtstag gratuliert hätte. Ich wollte geliebt werden, aber er war dazu offenbar nicht in der Lage. Wenn ich ihn heute auf der Straße treffe, sagt er nur knapp „Hallo“. Er fragt nicht einmal, wie es mir geht, oder erkundigt sich nach seinem Enkel – dabei hat er damit sicher das Beste verpasst, was ihm hätte passieren können.

Ich bin mir sicher Papa hat uns Mädchen alle gleich geliebt. Für mich hat seine Liebe jedenfalls die Welt bedeutet, vor allem wenn man vom eigenen Vater abgelehnt wird. Ich erzähle diese Geschichte, weil sie zeigt, was wir Töchter von unseren Vätern brauchen: Nähe und Distanz, Sicherheit und die Freiheit, einfach wir selbst sein zu dürfen. Diese Art der bedingungslosen Liebe ist essenziell für unsere Entwicklung – unabhängig davon, ob sie von einem biologischen Vater oder einem anderen Menschen kommt, der diese Rolle übernimmt.

Väter, die da sind, wenn man sie braucht, geben Sicherheit und stärken das Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit.

Wissenschaftliche Perspektive

Meine eigene Erfahrung zeigt, wie entscheidend die Rolle von Vätern für die emotionale Entwicklung ihrer Töchter ist – und die Wissenschaft bestätigt dies. Studien, wie jene von Seiffge-Krenke, belegen, dass die Beziehung zwischen Vater und Tochter einen starken Einfluss auf das Selbstwertgefühl und die emotionale Stabilität von Mädchen hat. Väter, die eine stabile, liebevolle und unterstützende Beziehung zu ihren Töchtern aufbauen, stärken nicht nur deren Selbstvertrauen, sondern fördern auch ihre Fähigkeit, gesunde Beziehungen zu anderen aufzubauen.

Besonders die Erfahrung von emotionaler Nähe, wie ich sie beschrieben habe, wirkt zugleich schützend und stärkend. In einer Welt, in der Mädchen zunehmend von sozialen und medialen Einflüssen geprägt werden, die ihr Selbstbild negativ beeinflussen können, hat diese Nähe einen unschätzbarem Wert. Studien zeigen beispielsweise, dass Mädchen bei denselben Aufgaben deutlich häufiger negatives als positives Feedback erhalten. Erwachsene reagieren oft kritischer und beschämender, was Mädchen intensiver wahrnehmen – vermutlich, weil Harmonie in Beziehungen für sie eine größere Rolle spielt.

Im Vergleich zu Jungen werden Mädchen so stärker auf Scham und die Vermeidung von Scham sozialisiert. Diese Erziehung kann negative Konsequenzen für ihre Identitätsentwicklung haben, da sie ihnen – ob durch elterliche Vorgaben, Freundeskreise oder selbst auferlegte Regeln – mehr Grenzen und Einschränkungen bei ihrer Selbstentfaltung auferlegt.

Interessanterweise betonen viele Berichte von Töchtern – sei es in der Literatur oder in therapeutischen Kontexten – die positiven körperlichen Eigenschaften ihrer Väter. Diese reichen von stärkendem Körperkontakt bis hin zu Beschreibungen, wie attraktiv sie ihre Väter fanden, wie gut sie rochen und wie lebendig sie waren oder kraftvoll sie wirkten. Diese Wahrnehmung spielt eine zentrale Rolle bei der Entwicklung eines positiven Körperbildes der Töchter.

Leider wurde dieser Aspekt lange Zeit durch die Missbrauchsforschung in den Hintergrund gedrängt. Dabei ist eine liebevoll-anerkennende und zärtliche Beziehung zwischen Vater und Tochter von essenzieller Bedeutung. Der väterliche Fokus auf körperlicher Aktivität kann wesentlich dazu beitragen, ein positives Körperkonzept zu fördern, das sich bis in spätere romantische Beziehungen hinein positiv auswirkt. Eine Längsschnittstudie (Seiffge-Krenke et al., 2015) zeigt, dass sowohl Mütter als auch Väter einen positiven Einfluss auf das Körperbild ihrer jugendlichen Töchter haben können – vorausgesetzt, die Unterstützung erfolgt ohne kritische oder abwertende Bemerkungen.

Im Gegensatz dazu kann Negativität in der Mutter-Tochter-Beziehung das Körperbild der Tochter deutlich beeinträchtigen. Solche Spannungen können langfristige Folgen haben, wie etwa eine Vermeidung von Körperkontakt in romantischen Beziehungen im Erwachsenenalter. Besonders auffällig ist, dass ein negativ geprägtes Körperbild auch im Alter von 25 Jahren noch Schwierigkeiten in Partnerschaften verursachen kann.

Dankbarkeit

Ein fremder Mann kam in mein Leben und hat meine Liebe angenommen und mich zurück geliebt. Einfach so, ohne sich etwas zu erwarten. Für das bin ich ihm so unendlich dankbar und ich werde es ihm auch nie vergessen.

Mein Papa ist im September 2007 gestorben. Selbst in den letzten Tagen und Stunden seines Lebens zeigte er mir, wie sehr er mich liebte und wie wichtig ich für ihn war.

Danke, Papa, für deine Liebe. Ich trage sie in meinem Herzen mein Leben lang. 

Natürlich gibt es die verschiedensten Arten von Vater-Tochter-Beziehungen, und jede ist so individuell wie die Menschen selbst. Meine Geschichte ist nur eine von vielen und spiegelt meine persönliche Erfahrung wider. Einige Väter und Töchter finden eine andere, einzigartige Verbindung, während es in anderen Beziehungen Herausforderungen gibt, die gemeistert werden müssen. Was ich jedoch glaube, ist, dass Liebe, Wertschätzung, Respekt und Präsenz universelle Werte sind, die jede Beziehung stärken können – unabhängig davon, wie sie im Detail aussieht.

Seiffge-Krenke, I. (2004). Väter—Notwendig, überflüssig oder sogar schädlich für die Entwicklung ihrer Kinder? In Psychotherapie und entwicklungspsychologie: Beziehungen: Herausforderungen, ressourcen, risiken (S. 195–224). Springer Berlin Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-09600-0_7

Seiffge-Krenke, I. (2021). Die Jugendlichen und ihre Suche nach dem neuen Ich: Identitätsentwicklung in der Adoleszenz (2. aktualisierte Auflage 2021). Kohlhammer Verlag.

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Hallo, ich bin Michaela.
Ich bin ausgebildete Fotografin und diplomierte Lebens- und Sozialberaterin. In meinen Blogartikeln erzähle ich persönliche Geschichten und teile meine Gedanken – meine Ansichten sind dabei nicht als allgemeingültig zu verstehen.

Dazu veröffentliche ich immer wieder Fotografien, die entweder aus meinem Leben stammen oder von mir selbst geschaffen wurden. Meine Texte und Bilder zeigen, wie essenziell Fotografie für mich ist. Sie erzählen Lebensgeschichten – unsere Geschichten. Für mich sind Fotos ein unverzichtbarer Bestandteil meines Lebens und keinesfalls durch KI-Bilder ersetzbar.

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